Archiv des Monats “September 2016

Englischer Formschnitt von Eiben

Von Hecken und Gruben

Oder wie ich die Schönheit englischer Gärten kennenlernte.

1997 reiste ich zum ersten Mal auf die britischen Inseln. Von englischer Gartenkultur wusste ich nicht viel. Ich kannte die englische Garten-Sendung der BBC ‚Gardeners World‘. Und die war für mich Kult. Im wöchentlichen Ritual folgte ich den Moderatorinnen durch wundervolle Gärten streifend, die Pflanzenwelt erklärend und Gartenwissen weitergebend — für mich alles ganz neu. Sie zeigten mir welche Pflanzen zu diesem oder jenem Gartenthema passen oder wie Pflanzen miteinander in sogenannten ‚Drifts‘ kombiniert werden können um Emotionen zu erzeugen. Einen Garten in Räume zu unterteilen, mit Pflanzen Stimmungen zu kreieren, zog mich flugs hinein und bereitete mir ungeahnte Freude. Dieses Glück, beim Anblick eines gestalteten Stück Erde, wollte ich auch empfinden.

 

Die erste Gartenreise — Grosse Bekannte und eine kleine Trouvaille (1997)

Gegend: Südwestengland, Wiltshire, Sussex
Gärten und Parks: Stonehenge, Stourhead, Heale House, Sissinghurst, Great Dixter, Pashley Manor, Stourton House and Gardens

Mit dem Mietwagen ging‘s im ungewohnten Linksverkehr vom Gatwick-Airport direkt nach Salisbury. Die kleine Stadt in der Grafschaft Wiltshire, empfing uns freundlich. In einem stilvollen, sehr englischen B&B deponierten meine Freundin und ich unsere Koffer. Da waren wir nun — bereit auf Gartentour zu gehen und neue Welten zu entdecken.

Salisbury, fotografiert von Malcolm Balmer

Salisbury, fotografiert von Malcolm Balmer

 

 

 

 

 

Zuallererst führte uns der Weg nach Stonehenge. Die Steinformation der Kelten umkreisen gehört einfach zum Pflichtprogramm. Und dann weiter in den Landschaftspark Stourhead, unter Kennerinnen das Vorbild eines englischen Landschaftsgartens und ebenfalls ‚ein Muss‘. Beim Spaziergang durch den Park und erreicht man einen erhöhten Punkt, den Tempel des Apollon, mit bezaubernder Aussicht auf die umliegende Landschaft. Der See mit seiner leicht gebogenen Brücke bildet den Mittelpunkt  der Gestaltung. Dieser Landschaftspark, erschaffen Mitte des 18. Jahrhunderts, repräsentiert die damals völlig neue Sichtweise auf Mensch und Natur.

Stourhead, von Malcolm Balmer

Stourhead im Frühling, fotografiert von Malcolm Balmer

 

 

 

 

 

Sonnenuhr

Sonnenuhr in Heale House

Heale House — Dieser Garten, eine Trouvaille nahe Salisbury liegt am Fluss Avon.  Beeindruckend ist der Tunnel Garten bestehend aus dicht hängenden Apfelspalieren. Eine Terrasse öffnet sich zum Fluss hin. Über eine kleine Nikko-Brücke erreicht man die japanische Szenerie angelegt in einem kleinen Waldstück, ergänzt mit japanischem Wassergarten und kleinem Teehaus.

 

 

Sissinghurst

Staudenbeet an einer Mauer

Sissinghurst, der unterdessen weltbekannte Garten, angelegt und gestaltet von Vita Sackville-West beeindruckt durch den virtuosen Umgang mit Strukturen, Farben und Formen der Pflanzen. Nach Vitas Tod 1962 übergab ihr Mann die Pflege und Verwaltung des Gartens der National Trust. Seit 1967 pflegt diese Institution mit einem Heer von Gärtnerinnen die verschiedenen Garten- und Farbräume. Vor allem Pflanzenkombinationen in Weiss, Rosa und Blautönen beherrschen die Szenerie.

 

 

Great Dixter war das Erbe und Zuhause von Christoper Lloyd (gest. 2005), dem bekannten Autor herausragender Werke zur Gartenliteratur. Haus und Land sind seit 1910 in Besitz der Familie Lloyd. Ausser ein oder zwei Arkadengängen war damals ums Haus nicht viel vorhanden. Als Christopher Lloyd das Anwesen übernahm, entstand Great Dixter unter seiner Leitung, so wie wir den Garten heute kennen. Seit vielen Jahren sorgt Head Gardener Fergus Garrett für eine aussergewöhnliche Stimmung in den Beeten, immer noch dem ‚Spirit‘ Christopher Lloyds folgend.
Die Gärten liegen rund ums Tudor-Haus (aus dem 15. Jahrhundert) und bezaubern nahezu alle Besucherinnen. Topiari, Mischungen von mehrjährigen Stauden und Wildpflanzen, wunderbare ‚Drifts‘ und Farbkombinationen Ton in Ton, spezielle Formzusammenstellungen sowie Lloyds Kreationen von Mixed Borders inspirieren. «Die Pflanzen helfen einander», pflegte er zu sagen.
Als wir einen letzten Rundgang durch die  Gartenräume machen, begegnen wir Mr Lloyd persönlich begleitet von seinen beiden Dackeln. Wir sehen einen gelassenen Gärtner durch seinen wunderbaren Garten schlendern.

Great Dixter

Great Dixter, Topiari in Grasflächen

 

Pashley Manor Ein grosser mehrfach ausgezeichneter Garten in East Sussex. Bekannt für die Blumenfülle im Frühling, den ‚Bluebell Walk‘ und den gepflanzten 20‘000 Tulpenzwiebeln. Ein alter Eichenbaumbestand, Teiche, Springbrunnen, Staudenbeete, ein Küchengarten und der ‚Rosewalk‘ gehören mit zum Programm bei einem Besuch dieses Gartens. Das Café im Haus mit Tudorfassade gefällt uns ausserordentlich.

Stourton House Flower Garden Wunderschöner Privatgarten mit schwungvoll geschnittenen Hecken und gemischten Blumenbeeten. Leider mittlerweile geschlossen.

 

Die zweite Gartenreise — Strände, Seemänner und ein Vogelreservat (1998)

Gegend: Norfolk, Suffolk
Gärten: Naturlandschaften, Strände, ein Vogelreservat, Marsch- und Heideland

Diesmal sind wir mit Zug und Bus unterwegs. Wir kommen in London City Airport an und nehmen den Zug Richtung Norden ans Meer. Cromer — ein Küstenstädtchen, das seinen viktorianischen Pier erhalten hat. Im Sommer ist der Ort gut mit Feriengästen gefüllt. Das kleine aber feine Seemannsmuseum erinnert an die Hoch-Zeit des Fischfangs und an die weitherum bekannte Besatzung seiner Rettungsboote.
Nach ein paar Tagen mit ausgedehnten Strandspaziergängen und scheuen Versuchen ins Meer zu steigen, (meine Freundin schafft es, ich hingegen nur bis zu den Kien), geht’s weiter südlich nach Suffolk in ein überaus einladendes BnB. Das ist der Ausgangspunkt für eine Velotour durchs Heideland und einer Wanderung zum Vogelreservat in der Nähe von Dunwich.
Zurück in London besuchen wir das Museum of Garden History, in South Banks, zu erreichen auch per Bootsfahrt auf der Themse.

Strand an der Ostküste

Strand an der Ostküste

 National Trust Ursprünglich 1895 gegründet um schöne und historisch wertvolle Gebäude und Gärten zu erhalten. In den 1980er Jahren verlegte sich der Verein zunehmend darauf auch Strände und Landschaften zu schützen. National Trust restauriert und pflegt Scheunen, Burgen und Leuchttürme in ganz England. Die Organisation kümmert sich um 1’250 km Küstenstreifen und 247’000 Hektaren Landfläche. Dies ist nur durch Mitgliederbeiträge, Spenden und der grossen Schar an ehrenamtlichen Helferinnen den sogenannten Volunteers, zu bewältigen.


Die dritte Gartenreise — Bezauberndes Cornwall (2001)

Gegend: Devon, Cornwall
Gärten: Eden Project, Lost Gardens of Heligan, Lanhydrock House and Garden, Trebah Garden, Trelissick, Glendurgan nahe Falmouth, Antony House and Garden, Trengwainton, Trerice House and Garden

Das Eden Project — gerade neu eröffnet. Die Grösse der Anlage und die futuristische Form der Gewächshäuser beeindruckt uns sehr. Darin wird Besucherinnen die Flora aller fünf Kontinente der Erde mit Hilfe neuester Technologien näher gebracht.

Lost Gardens of Heligan 1990 wiederentdeckt von Tim Smit and John Willis. Im selben Jahr begannen Aufräumarbeiten eines Teils der Gärten, obwohl nicht klar war, wie das Grundstück verwaltet werden sollte. Ab 1991 fanden Grossaufräumungen statt, an der sich verschiedene Vereine mit freiwilligen Helferinnen beteiligten. 1997 fertig restauriert, wurden die Gärten in neuem Glanz der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Dies alles mit Spenden, soweit ich weiss.

Lanhydrock — Ein beeindruckendes Landadel-Haus mit einer wunderbaren Atmosphäre. Die Küche beeindruckt mich besonders. Die Gärten sind unterteilt in einen Waldgarten des 19. Jahrhunderts mit Kamelien, Magnolien und Rhododendren, einem Staudenkreis, der vor allem im Herbst bis in den Winter blüht und ein Geometrischer Garten der in ein Parterre über geht, welches im Frühling und Sommer mit den Blumenrabatten die Besucherinnen erfreut.

Trebah Garden — Dieser Waldgarten gelegen in der Bucht des Helford Rivers, gegründet Mitte des 19. Jahrhunderts von Charles Fox, Gärtner und Pflanzenjäger, beheimatet Pflanzen aus Tibet, China, Neuseeland und Amerika. Eine Entdeckung exotischer Flora in einer ebenso spektakulären Landschaft.

Trelissick, ein Landschaftspark mit Rhododendren soll besonders im Frühling ein Farbenrausch sondergleichen sein. Auf der Rasenfläche in der Mitte steht eine chinesische Zeder. Spezieller Baumbestand.

Trelissick

Trelissick, Sicht auf die Bucht vom Park aus, fotografiert von Malcolm Balmer

Glendurgan — am Hang gelegener Garten im subtropisches Mikroklima mit raren und exotischen Sträuchern und Bäumen. Magnolien, Farne, Palmen, Kamelien, Azaleen sind kombiniert mit Wildpflanzen. Ein weiteres Highlight — das Heckenlabyrinth aus Lorbeerbüschen.

Antony House and Garden, das prächtige Haus interessiert uns und wir machen eine Führung.
Ein umauerter Barockgarten schliesst an das Haus an. Im Norden fällt der etwa 10 ha grosse Garten leicht zum Fluss ab. Wir sehen Baumgruppen in offenen Rasenflächen. Hier wird auch die National Collection von über 600 Tagliliensorten gepflegt.

Antony House and Garden

Die barocke Gartenanlage, fotografiert von Malcolm Balmer

 

 

 

 

 

Trengwainton House and Garden, Die malerische Lage gewährt von der Terrasse aus einen Blick auf die Mounts Bay und The Lizard. Der Waldgarten entstand im 19. Jahrhundert. Besonders im Frühling versprühen Kamelien, Magnolien und Rhododendren in verschiedenen Farben ihren exotischen Reiz. Im ummauerten Küchengarten, angelegt in den 1920er Jahren, wird heute vorwiegend Gemüse und Obst gezogen.

Trerice House and Garden, ein sehr schönes Haus aus der elisabethanischen Zeit. Eine kleine, sehr hübsche Gartenanlage mit Blumenbeeten und Apfelarkaden umgibt das Haus.

Ein AhaEin Ha-ha oder Aha grenzt das gestaltete Terrain vom Umland ab, hält vor allem Schafe und andere ungebetene Besucher fern. Der Garten wird durch die Grube von der Landschaft getrennt. Trotzdem verschmilzt vom Garten aus die Sicht mit der Weite der Landschaft und kann so als Gestaltungselement wirken, den Garten vergrössern. Die Idee des Ahas stammt vermutlich aus Frankreich und kam Ende des 17. Jahrhunderts nach England.

 

Die vierte Gartenreise — Grüne Hügel, Seen und blitzgescheite Hunde (2004)

Gegend: Cumbria, auch Lake District genannt
Gärten: Levenshall, Tatton House and Garden, RHS Garten in Wisley, Standen House and Garden

Gowbarrow Cumbria

Gowbarrow Cumbria, fotografiert von Malcolm Balmer

Die Gegend ist wild und sehr hügelig, ab und an geht’s mit dem Auto auf steilen Strassen über kleine Pässe. Unser B&B wird von einer Schafzüchter- und Farmersfamilie betrieben. Der Farmer trainiert Hunde mit denen er die verstreuten Schafherden wieder einfängt aber auch Wettbewerbe im Schafe treiben bestreitet. Wir machen eine Wanderung in die saftigen Hügel hinauf und besuchen das Dorf Beatrix Potters, der Kinderbuchautorin.

TopiaryFormschnitt ganzer Hecken wird in England seit dem 17. Jahrhundert intensiv betrieben. Schon die Ägypter schnitten Pflanzen in Form, sowie die Römer ihren Zypressen eine schlankere Gestalt durch das Schneiden gaben. Der heutige Formschnitt (Topiari) begründet eine weitere Technik der Gartengestaltung. Auch hier geht es um Abgrenzung verschiedener Gartenräume oder Ebenen, um Ruhe und Bewegung. Riesige Durchgänge, ganze Pflanzenwände wuchsen so über die Jahre in manchen Gärten und Parks heran. Diverse Pflanzen, nicht nur der Buchsbaum, werden von den Engländern zu allerlei Formen geschnitten. Auch Eiben, Hainbuchen, Stechpalmen, Lorbeer und auch Liguster eignen sich für Topiari.

Levenshall, Landgut bei Kendal, ein wunderschöner Garten mit Topiari im Grossformat. Viele Eiben in teils bizarre Formen geschnitten (siehe grosses Beitragsbild). Angelegt wurde der Garten bereits Ende des 17. Jahrhunderts.

Tatton House and Garden, wunderschön gelegenes Herrenhaus mit Gärten in verschiedenen Stilen und angrenzendem grossen Park.

RHS Garden Wisley Der Schaugarten der Royal Horticultural Society, der auch als  Versuchsgelände ökologischer Gartengestaltung, fungiert. Ein Gartencenter und eine Bücherei sind ebenfalls angeschlossen. Der Park ist weitläufig mit beeindruckendem Baumbestand und zeitgenössischen Staudenpflanzungen, wie zum Beispiel die 150m langen Beete mit nordamerikanischen Pflanzen 2001 gestaltet von Piet Oudolf.

Standen House and Garden der letzte Garten, den wir auf dem Weg zum Flughafen besichtigen. William Morris (bekannter Designer Ende des 19. Jahrhunderts) wurde vom Besitzer engagiert, grosse Teile des Hauses innen, zusammen mit dem Architekten Philippe Speakman Webb und der Ehefrau des Besitzers Margaret Beale, und den Aussenraum bzw. den Garten zu gestalten.

 

Die fünfte Gartenreise — Die legendäre Flower Show (2005)

Gegend: London City
Gärten: Viele, von urban modern bis verträumt romantisch auf dem trockengelegten Areal im Flussbecken der Themse

Royal Horticultural Society 1804 gründeten einige einflussreiche Gentlemen die Gartenbauliche Gesellschaft zu London, deren Aufgabe es sein sollte den Gartenbau und das Wissen um die Praxis zu fördern. 1861 wurde Prinz Albert Patron der Gesellschaft, die deshalb in die Royal Horticultural Gesellschaft umbenannt wurde. Seither übernimmt der jeweilige Monarch das Patronat.
1903 erwarb die Gesellschaft aufgrund der Kohlenstaub-Belastung in London ein Landgut am Fluss Wey. ‚Wisley Gardens‘ entwickelte sich zu einem der wichtigsten Zentren des Gartenbaus.
Heute beschäftigt die RHS Hunderte von Mitarbeiterinnen, die für die gemeinnützigen Ziele arbeiten und auch in Schulgärten Unterricht anbieten, die zahllosen Gärten und Parks pflegen und zum Gelingen der zahlreichen jährlich stattfindenden Flower Shows beitragen. Die RHS hat heute an die 363’000 Mitglieder aus aller Welt.

Die Chelsea Flower Show. Die jährliche Garten-Messe, seit 1912 in Chelsea abgehalten wird auch von internationalem Publikum besucht. Mit zahllosen Events im Event untermalt, bietet die Show eine einmalige Fülle an Variationen ‚der Gestaltung eines Fleckens Erde‘.
Die Show findet jedes Jahr im Mai statt. Meistens kann ab November des Vorjahres gebucht werden. Zum Beispiel direkt auf der RHS Website. Ratsam ist ausserdem eine frühe Buchung eines Hotels in London.

Chelsea Flower Show

Moderner Kiesgarten an der Chelsea Flower Show

Für den Beitrag wurden folgende Werke herangezogen:
The History of Gardens von Howard Loxton, Bounty Books, Neuauflage 2005.
Das Paradies auf Erden finden von Penelope Hobhouse, Schirmer Mosel Verlag, 2006.
Sensationen von Nadine Olonetzky, erschienen im Birkhäuser Verlag, 2007.
Romantische Gartenreisen in England von Anja Birne, erschienen im Callwey Verlag, 2016.

Weitere wunderschöne Bilder von Malcolm Balmer sind zu sehen auf dorsetcamera.co.uk