Der Zedernwald auf der Insel Yakushima im Süden Japans, ist ein UNESCO-Weltkulturerbe und wird jedes Jahr von japanischen Touristen geradezu überschwemmt. Unter Westlern gilt das eher kleine Eiland immer noch als Geheimtipp. Die meisten Besucherinnen kommen wegen den uralten, imposanten Zedern. Der Wald, für viele Japanerinnen eine Inspirationsquelle, diente auch als Vorlage für den bekannten Animefilm ‚Princess Mononoke’.
Die jüngsten Bäume haben mindestens 200 Jahre auf dem Buckel, viele um die tausend Jahre und der Älteste soll angeblich schon seit 7000 Jahren dort stehen. Den Zedern bekommt das halbtropische Klima auf Yakushima ausgezeichnet. Die konstante Feuchtigkeit treibt das Wachstum der Bäume an. Manche der ältesten Exemplare werden von den Japanern verehrt und tragen spezielle Namen.
Der Älteste heisst Jomon-sugi (Sugi = Zeder), benannt nach der Jomon-Periode (der Jungsteinzeit von Japan). Sein Durchmesser beläuft sich auf mehr als 5 Meter. Er bildet sozusagen das Ziel einer Tageswanderung im Zedernwald. Hin und zurück muss ein Fussmarsch von mindestens zehn Stunden absolviert werden. Die Strapazen lohnen sich. Die Bäume, welche eine ganz besondere Stimmung erzeugen, lassen niemanden kalt.
Mein Trip zum Jomon-sugi
Nachts um drei stehe ich am Strassenrand und warte auf den Bus. Unterwegs bietet sich eine Möglichkeit ein Bento (Lunchbox) zu kaufen. Draussen ist es immer noch dunkel. Der Bus kurvt quer über die Insel und dann in Serpentinen hoch hinauf durch den Nationalpark bis zum Eingangstor des Zedernwaldes. Der Park ist nur am Tag offen und wird beim Eindunkeln wieder geschlossen.
Alle Besucherinnen sind top ausgerüstet und marschieren kurz nach der Ankunft des Busses sofort los. Die Uhr zeigt 5.30 Uhr.
Ich habe Glück mit dem Wetter. Am frühen Morgen ist es zwar noch ziemlich kalt, aber mit der Sonne kommt die Wärme und mit ihr ein bezauberndes Licht. Rehe äsen am Wegesrand, fast ohne Scheu. Viel Zeit zum Schauen, Fotografieren und Geniessen bleibt nicht, der Weg ist noch lang. Auf einer ausrangierten Schmalspurstrecke wandert man stetig leicht hinauf. Nach etwa drei Stunden hört sie plötzlich bei einer Ansammlung alter, niedriger Gebäude, auf. Bis in die 1970er Jahre wurde hier Holzabbau betrieben. Der Weg führt weiter an Moosteppichen vorbei über riesige Wurzelstöcke und Holztreppen. Die Stimmung im uralten Wald ruft Kindheitserinnerungen wach. Das Wasser ist so sauber und klar, ich kann nur meine Hand ausstrecken und aus einem der Rinnsale trinken. Weiter gehts zwischen Torbögen aus Wurzeln hindurch. Wurzeln so dick wie der Stamm einer grossen Eiche. Die Verdrehungen und Kurven vieler Stämme und Äste bilden postmoderne Skulpturen. Grüne Teppiche leuchten im gefilterten Licht, welches durch die Blätter dringt. Nach weiteren zwei Stunden Anstieg, zuletzt auf extrem steilen Holztreppen, erreiche ich den Ältesten. Ich weiss gar nicht wo anfangen mit hochschauen, die Dimensionen ertasten und Fotos machen. Überwältigend.
Etwas weiter unten verzehre ich meinen Lunch. Dann sehe ich bereits die ersten Gruppen wieder den Rückweg antreten. Ich spute mich, denn auf dem Hinweg habe ich ein Kieselbett am Fluss gesehen, an dem ich noch ein wenig ausruhen möchte. Nach 16 Uhr treffe ich wieder am Tor ein. Viele der japanischen Wandergruppen stellen sich zum obligaten Gruppenfoto auf. — Und man merkt: Alle zufrieden, diese nicht ganz leichte aber wundervolle Wanderung, gemeistert zu haben.